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DOOM – 20 Jahre in der Hölle

Nostalgietrip, die Zweite. Als „DOOM“ 1993 erschien war ich gerade mal unschuldige 11 Jahre alt und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich von dieser Erschütterung der Spielelandschaft nicht viel mitbekommen habe. Ich hatte noch keinen PC (der sollte erst im Jahr darauf angeschafft werden), das Internet war noch größtenteils unbekannt und auf dem Schulhöfen Baden-Badens waren Videospiele allgemein noch kein allzu großes Thema. Es sollte noch ein paar Jahre dauern bis das Spiel meine Aufmerksamkeit weckte. Und das ist auch gut so … in dem Alter fand ich Filme wie Disneys „Alice im Wunderland“ noch gruselig. „DOOM“ hätte ich nie im Leben verkraftet.

Entwickelt wurde „DOOM“ von id Software. Die federführenden kreativen Köpfe hinter dem Spiel waren (und sind) zwei Legenden: John Romero und John Carmack … die beiden Johns. Unterschiedlicher könnten zwei Menschen wahrscheinlich nicht sein: der eine mit dem Aussehen und Gebahren eines verkannten Rockstars, der andere ein genialer, aber manchmal beinahe autistisch wirkender Freak (eine ausgezeichnete Schilderung dieser ganz besonderen Beziehung findet man im Buch „Masters of Doom“ von David Kushner).

id Software war bis vor wenigen Jahren noch ein Independent-Studio. Doch 1993 waren die Jungs von id Software nicht nur unabhängig … sie waren Rebellen. Ein großer Publisher hätte der Vermarktungsstrategie von „DOOM“ vermutlich niemals zugestimmt … auch wenn sie sich letzten Endes als Geniestreich herausstellen sollte. „DOOM“ bestand aus 3 Episoden. Der Kniff: die erste wurde als Shareware vertrieben und war – wie man heute sagen würde – Free 2 Play … allerdings ganz ohne Boosterpacks und schicke zukaufbare Hüte. Weitergabe an Freunde und Bekannte war nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Wollte man auch die letzten beiden Episoden spielen, musste man dann allerdings zahlen.

impIn Deutschland wurde „DOOM“ zunächst von dem Karlsruher Vertrieb CDV  Software und der Pearl Agency vertrieben. Die Shareware konnte man für 14,98 DM in der Zeitschrift DOS-Trend erstehen. Dies ging einige Monate gut bis die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften den beiden Firmen einen Strich durch die Rechnung machte. „DOOM“ wurde indiziert … und damit automatisch zur Legende auf deutschen Schulhöfen.

In meiner Klasse war ich für die Verbreitung des Spieles verantwortlich, im Bundle mit einer einseitigen handgeschriebenen Anleitung wie man es zum Laufen bekommt (es war die Zeit der Bootdisketten). Mittlerweile schreiben wir (vermutlich) das Jahr 1995. Vielleicht auch 1996. Ich war 13 (bzw. 14) Jahre alt. Von Indizierungen wusste ich nichts, doch spätestens durch einen Artikel der „Video Games“ Ende 1994 hat sich „DOOM“ auch bei mir als das böse verbotene Spiel ins Hirn gebrannt. Und auch bei mir verfehlte das nicht seine Wirkung … alles Verbotene übt einen ganz besonderen Reiz aus.

Interessanterweise wurde mir „DOOM“ allerdings nie von meinen Eltern verboten. Da könnte man natürlich direkt Unwissenheit unterstellen … doch das Gegenteil war der Fall. Ich habe immer recht offen mit meiner Mutter über mein liebstes Hobby gesprochen. Auch über das böse „DOOM“. Als ich es dann schließlich von meinem Cousin bekommen habe, hat sich meine Mutter eine halbe Stunde neben mich gesetzt während ich gespielt habe. Das war nicht unbedingt angenehm. Mir war klar, dass jetzt gerade entschieden wurde, ob ich das Spiel auf der Festplatte behalten durfte oder wieder löschen musste. Überraschenderweise hat meine Mutter entschieden, dass ich gefestigt genug war, um meine Reise in die virtuelle Hölle anzutreten.

Da ich bis heute noch keine Diskussion mit der Schrotflinte beendet habe, hatte sie vermutlich recht. Das heißt allerdings nicht, dass mich „DOOM“ nicht emotional beeindruckt hat. Das Spiel war so gruslig wie 640×480 Pixel und 256 Farben nur sein können. Die makabere Stimmung ließ mich nicht unbeeindruckt. IDDQD und IDKFA waren meine besten Freunde. Besonders der Cacodemon sorgte bei mir für feuchte Hände und jagte mir kalte Schauer über den Rücken.

cacodemon
Der ist aber auch gruselig … so langsam und mit seinen leicht ausweichbaren Attacken

Rückblickend frage ich mich, ob ich „DOOM“ damals tatsächlich so toll fand, weil es so ein hammergeiles Spiel war oder doch eher wegen des ungewohnten und (zumindest von mir) nie zuvor gesehenen Gewaltgrades. „DOOM“ ist natürlich ein Spiel mit wegweisendem Gameplay … aber es ist auch brutal. Und Gewalt ist faszinierend. Die Grafik mag zwar nicht mehr auf der Höhe der Zeit sein, aber ich empfinde sie auch weiterhin als erstaunlich effektiv. Schau ich mir ein Gameplayvideo des ersten Levels an und höre die vertraute Musik, das Grunzen der Monster, das Klicken der Waffen und die Geräusche der Türen … dann wird etwas in meinem Unterbewusstsein wachgerüttelt. Nicht nur habe ich das Gefühl, dass ich mich mit geschlossenen Augen zurecht finden würde … es schleicht sich auch ein leichtes Unwohlsein in meine Magengegend. Wenn dann die Köpfe der Imps explodieren und die Cacodemons von innen nach außen gestülpt werden … es sind zwar nur grobaufgelöste Pixelhaufen, aber meine Fresse … das ist weiterhin alptraumhaft. Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass das ein wenig (nennen wir es) nostalgisch gefärbt ist.

„DOOM“ war ein technischer Meilenstein. Der von John Carmack entwickelten Engine gelang es große Level in schicker 3D-Grafik auch auf relativ altersschwachen Rechnern flüssig darzustellen. Mittlerweile gibt es eine ganze Szene, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die „DOOM“-Engine auf allen denkbaren Endgeräten zum Laufen zu bekommen … vom Handy bis zum Taschenrechner.

doom_calculatorDoom auf einem Texas Instruments – Taschenrechner

Doch das war nicht die einzige technische Meisterleistung. Heutzutage kommt kaum ein Spiel ohne Online-Multiplayermodus heraus. 1993 war ein solcher wiederum nicht unbedingt alltäglich. Warum sollte man auch so etwas Exotisches einbauen? Online war nur einigen wenigen Freaks vorbehalten (oder anders gesagt: Studenten) und auch lokale Netzwerke gehörten zu Zeiten von Windows 3.1 und DOS nicht unbedingt zum Standartrepertoire des durchschnittlichen Computernutzers. „DOOM“ hatte allerdings einen Mutliplayermodus … und erfand einfach mal im Vorbeigehen auch noch das Deathmatch. Man muss sich mal vor Augen führen wie abstrus das eigentlich ist: die Jungs von id software bauen einen Modus in ihr Spiel, den nur ein Bruchteil der Spieler wirklich nutzen kann … einfach, weil man selbst Bock darauf hat (John Romero war lange Zeit der König des „DOOM“-Deathmatches).

In Karlsruhe steht das „Zentrum für Kunst und Medien – kurz: ZKM – und dort hatte ich das einzige Mal in meinem Leben Gelegenheit „DOOM“-Deathmatch zu spielen. In einem der oberen Stockwerke gab es damals – es dürfte Ende der 90iger-Jahre gewesen sein – eine Computerspielausstellung. In deren Rahmen waren auch einige Computer aufgebaut, auf denen „DOOM“ im Deathmatchmodus lief. Das Besondere daran: Ende der 90iger war „DOOM“ noch sowas von indiziert. Die Verantwortlichen des ZKMs waren aber offenbar der Meinung, dass es künstlerisch wertvoll genug war, um ausgestellt zu werden. Nimm das BPjM! Ha!

2011 hat die BPjM dann endlich auch erkannt, dass „DOOM“ Kunst ist. Ähem. Vielleicht hat die Behörde allerdings auch nur anerkannt, dass es im Kontext der Zeit und der technischen Weiterentwicklung ein vergleichsweise harmloses Spiel ist. Was auch immer die Gründe waren: „DOOM“ wurde vom Index genommen und mit einer USK 16 versehen. Das böse verbotene Spiel war nicht länger verboten. Eine Ära deutscher Zensurgeschichte nahm ihr Ende. Endlich konnte man „DOOM“ legal spielen … und dabei vielleicht erkennen, dass es nicht ganz so gut gealtert ist.

Apropos „endlich“: langsam könnte dann endlich auch mal „DOOM 4“ erscheinen … auch wenn die beiden Papas der Reihe mittlerweile nicht mehr bei id software tätig sind. Ich hätte Bock drauf. Für’s erste würde mir aber auch ein Hinweis genügen, ob das Spiel überhaupt noch in Entwicklung ist. Man gibt sich ja auch mit wenig zufrieden!

Alle Gute zum Geburtstag, „DOOM“.

Bilder: gamersglobal.de, developersaccomplice.co.uk, writeups.org, n00balert.com

3 Kommentare

  • DMJ

    Ha, besagter VG-Artikel war auch meine einschneidende erste Begegnung mit „Doom“ – und schon da irritierte mich der Bezug auf die deutsche Geschichte als Grund für die Indizierung.

    Das Spiel selbst war aber ewig eine Bildungslücke für mich. Habe viele Jahre später mal die Flash-Version online gespielt und dann, nach der Aufhebung der Indizierung (als es also nicht mehr cool war 😉 ) die Komplettbox gekauft.
    Spielerisch funktionierte es übrigens auch ohne nostalgische Erinnerung recht gut, aber atmosphärisch riss es da bei mir doch eher wenig.

    • Andreas

      Mit diesem VG-Artikel verbindet mich noch eine andere Geschichte … eine ewige Schuld, könnte man sagen. Ungefähr zu der Zeit in der besagter Artikel erschien, gab es auch einen Aufruf einer lokalen Zeitung, in dem Schüler ermutigt wurden Artikel einzusenden. Gemeinsam mit einem Freund schrieb ich daraufhin einen Beitrag über Videospielzensur … den wir zu großen Teilen Wort für Wort aus der Videogames abschrieben. Der Artikel wurde gedruckt, es gab Lob von unserem Deutschlehrer … und ich lebte seitdem in ständiger Angst, dass unsere Missetat auffliegen könnte 😀

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