Ist das schon Next-Gen?
Liest man sich durch diverse Gamingforen und -seiten, stolpert man häufig über eine leichte Next-Gen-Ernüchterung. Das ist alles? Etwas schärfere Grafik, ein paar mehr Partikel und schöneres Licht? Wäre da nach all den Jahren nicht etwas mehr drin gewesen? Etwas Revolutionäres? Etwas noch nie da Gewesenes? Ein ordentlicher Rumms! Was genau diese Revolutionäre hätte sein sollen, bleibt meistens unbeantwortet.
Gerne werden frühere Generationenwechsel zum Vergleich heran gezogen. Das Paradebeispiel: Bei dem Wechsel der Generation SNES zur Generation Playstation/N64 hatte man den Sprung von 2D zu 3D. Ein Sprung, der das Gaming komplett umkrempelte. Aber das ist die Ausnahme. Abgesehen von der Wii war in den folgenden Generationen die Evolution eine rein grafische. Zumindest oberflächlich betrachtet. Videospiele verändern sich nicht sprunghaft. Der grafische Fortschritt ist meist nur der offensichtlichste. Selbst der themenfremdeste Beobachter kann auf den ersten Blick erkennen, das „Final Fantasy X“ besser aussieht wie „Final Fantasy 7“ oder dass ein „Gears of War“ hübscher ist wie das erste oder zweite „Max Payne“.
SCHLEICHENDE EVOLUTION
Doch Konsolen entwickeln sich stetig weiter, wodurch die Übergänge zunehmend weicher werden. In Zeiten des Internets mit seinen problemlosen Updates verwundert das nicht sonderlich. Doch auch bei älteren Systemen konnte man einen langsamen Fortschritt während deren Lebenszyklus beobachten. „Mario 64“ war beispielsweise nicht Nintendos erster Ausflug in 3D-Welten. Dank des Super-FX-Chips war bereits das SNES fähig Polygongraphik halbwegs flüssig darzustellen. Sega experimentierte gleichzeitig mit dem 32X, einer Erweiterung für das Mega Drive, welches das alternde System mit zusätzlicher Rechenleistung versorgte und ebenfalls den Sprung in die dritte Dimension ermöglichte. Playstation, N64 und (mit Abstrichen) Sega Saturn waren also streng genommen nicht die ersten großen polygonalen 3D-Konsolen … sie waren allerdings die ersten Systeme, die wirklich darauf ausgelegt waren.
Und das sollte sich wiederholen. Dank einer Speichererweiterung konnte das N64 gegen Ende seiner Ära bereits höher aufgelöste Grafiken darstellen, welche dann aber erst durch PS2, Gamecube und Xbox zum Standard wurden. Mit der ersten Xbox führte Microsoft Xbox Live ein und betrat damit Neuland. Konsolen und Internet waren bis dato eine eher stiefmütterlich behandelte Randerscheinung. Daran änderte allerdings auch Xbox Live zunächst nicht viel … schließlich gab es kaum Spiele, die sich mit dem Dienst nutzen ließen. Erst Xbox 360 und Playstation 3 machten Onlinedienste auf Konsolen salonfähig.
Aber niemand hatte das volle Ausmaß der Onlinerevolution dieser (bzw. der letzten) Generation erahnt. Microsoft hatte mit Xbox-Live zwar vom Start weg eine gute Grundlage geschaffen, doch welche Stellung einige Jahre später Streamingdienste, Downloadshops und soziale Netzwerke einnehmen würden, war auch den Redmondern 2006 noch nicht vollkommen bewußt. Nintendo wiederum erkennt erst jetzt langsam an, dass man dem Thema „Onlinefunktionen“ doch ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Aber vielleicht mögen Japaner das Internet auch einfach prinzipiell nicht so gerne (reine Spekulation). Denn auch Sony hätte den Onlinezug zunächst beinahe verschlafen. Erst nach und nach wurde das Playstation Network ausgebaut, mit den Trophies ein Pendant für die Xbox-Achievements eingeführt und auch Streamingdiensten Tür und Tor geöffnet.
DIE MOBILE BEDROHUNG … MEIN NEUER BESTER FREUND?
Ein weiterer unerwarteter Technik-Paukenschlag der letzten Jahre: Smartphones und Tablets erschienen auf der breiten Bildoberfläche. Mobiles Internet war nicht länger ein Luxus, sondern wurde zunehmend der Standart bei einem Großteil der Nutzer. Gaming auf Touchscreen-Endgeräten wurde mit den Jahren immer populärer. Popularität bedeutet wiederum Geld. Und Spieleunternehmen lieben Geld. Die Folge: viele Spielehersteller richteten ihre zunehmend größer werdende Aufmerksamkeit auf den mobilen Spielemarkt und so manch Analyst beschwor bereits das Ende der großen stationären Spielekonsolen herauf. Doch dem scheint nicht so zu sein, die ersten Verkaufszahlen von Playstation 4 und Xbox One sprechen zumindest eine andere Sprache. Momentan macht es den Eindruck, dass es weder auf ein „Entweder-Oder“ noch auf eine reine Parallelexistenz von mobilen und stationären Plattformen hinausläuft. Der Trend geht zur Symbiose.
Nintendo hat diesen Trend streng genommen vollkommen korrekt vorhergesagt. Die WiiU mit ihrem GamePad ist schließlich nichts anderes wie eine Konsole, die gemeinsam mit einem Tablet ausgeliefert wird. Das Problem daran: meines Erachtens hat Nintendo das Potential dieser Kombination überschätzt. Asynchrones Gaming – wie Nintendo es getauft hat – mag in der Theorie vielversprechend klingen, aber nicht einmal der Innovator selbst konnte bisher ein überzeugendes Beispiel dafür liefern, dass es mehr wie ein nettes Gimmick ist. Ein ähnliches Problem hatte auch die Wii mit ihrer Bewegungssteuerung. Nur selten war diese mehr wie eine nette, meist jedoch unnötige, Spielerei. Allerdings eine Spielerei die Anklang bei der breiten Öffentlichkeit fand. Vielleicht sollte man Nintendo auch dafür danken, dass sie mit dem 3DS bewiesen haben, dass auch stereoskopisches 3D letzten Endes nicht viel mehr ist wie Augenwischerei.
VIRTUAL REALITY? DAS KENN ICH NOCH AUS DEN FRÜHEN NEUNZIGERN
Um ein wenig beim Thema 3D zu bleiben: Oftmals wird auch Oculus Rift in den Ring geworfen, wenn es um das tatsächliche große neue Next-Gen-Gefühl geht. Oculus Rift ist eine über die Crowd-Funding-Plattform Kickstarter teilfinanzierte Virtual-Reality-Brille und – möglicherweise – „The Next Big Thing“. Seit einigen Monaten ist John Carmack, Entwicklerlegende und id-Mitbegründer, als Chief Technology Officer an der Entwicklung der Brille beteiligt. Es wäre nicht das erste Mal, dass unter Carmacks Federführung die Spielebranche maßgeblich verändert wird.
Ich selbst hatte noch keine Gelegenheit Oculus Rift auszuprobieren, fiebere meinem ersten Mal mit der Brille allerdings entgegen (und damit meine ich nicht das). Trotzdem spiele ich jetzt mal den Pessimisten: ich glaube – beziehungsweise befürchte -, dass Oculus Rift nicht vielmehr wie eine faszinierende Randerscheinung sein wird. Um tatsächlich einen nachhaltigen Eindruck in der Spielelandschaft zu hinterlassen, müsste sie massiv von den Spieleherstellern unterstützt werden. Damit sich das für die Hersteller wiederum lohnt, müsste die Brille eine weite Verbreitung finden. Und da sehe ich das Problem. Der angepeilte Verkaufspreis von 300 Euro ist zwar keine Riesensumme für so ein faszinierendes Stück Technik, aber die Brille alleine reicht ja nicht. Ohne halbwegs leistungsfähigen PC läuft nichts. Und damit wird die finanzielle Einstiegshürde eventuell ein klein wenig zu hoch. Ich bezweifle zwar nicht, dass viele Spiele mit optionaler Oculus Rift Unterstützung erscheinen werden, denke aber, dass originäre Produktionen für die Brille die Ausnahme sein werden. Und ohne diese bleibt die Oculus Rift nur ein exotisches Periphäriegerät.
IST DAS SCHON NEXT-GEN?
Zurück zum eigentlichen Thema: Ist das schon Next-Gen? Um diese Frage abschließend zu beantworten, muss sich jeder selbst fragen: was habe ich eigentlich von den neuen Konsolen erwartet? War es die zu Beginn des Textes angesprochene große Revolution? Nun … dann wird man enttäuscht werden. Denn diese bleibt aus und wird vermutlich vorerst auch nicht kommen. Erwartet man wiederum eine Fortführung und Weiterentwicklung der Trends, die mit XBox 360 und PS3 ihren Anfang nahmen, bekommt man durch Xbox One und PS4 bereits eine Ahnung davon, was uns die nächsten Jahre noch erwarten wird und diese Generation definieren wird.
Das ist zum einen natürlich die Grafik, welche Jahr für Jahr besser werden wird, und andere technische Details wie FullHD, Partikel galore und konstante 60 Frames per Second (und ich höre schon den Aufschrei der PC-Community: „Das haben wir doch schon seit Jahren“ … dazu demnächst mehr). Es ist aber auch die Einbindung sozialer Netzwerke, die Anerkennung und Unterstützung der Let’s Play- und Streamingszene, neue Dienste wie Playstation Now und die Einbindung mobiler Plattformen wie Tablets und Smartphones, die einen Teil des Next-Gen-Gefühls ausmachen und ausmachen werden. Es mag banal klingen … aber die Companion-App zu „Assassin’s Creed 4“ hat mir persönlich zum ersten Mal demonstriert wohin die Reise in der Hinsicht gehen könnte. Die Verknüpfung verschiedener Endgeräte … das fühlte sich tatsächlich überraschend innovativ an. Auch wenn mich Ankündigungen in der Richtung bisher nie sonderlich begeistern konnten. Das Ziel der Entwickler ist klar … idealerweise soll man niemals aufhören zu spielen. Kannst du nicht an der Konsole spielen, wähle dich doch über das Tablet ein und nutze die dort gebotenen exklusiven Features. Rund um die Uhr spielen … ach welche glorreiche Tage uns alle erwarten! Ähem …
Ist das also schon Next-Gen? Ein ganz klares „Ja“. Denn Next-Gen ist immer. Ist das enttäuschend? Ja vielleicht. Aber zumindest ich bin schon gespannt, was die nächsten Monate und Jahre noch alles Next-Gen sein wird.
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