The Kojima Conspiracy
Glaubt man den Meldungen der letzten Wochen, stehen bei Konami derzeit sämtliche Zeichen auf Sturm. Die ruhmreichsten Tage des Erfolgsgaranten der 16-Bit-Ära liegen bereits eine gute Weile zurück, große Triple-A-Produktionen sind mittlerweile selten geworden. In den letzten Jahren gab es abseits des alljährlichen Pro Evolution Soccer und vereinzelten (an ein externes Studio ausgelagerten) Castlevania-Spielen nur wenig. Dieses Wenige hatte einen Namen: Hideo Kojima (Schöpfer der „Metal Gear Solid“-Reihe und Großmeister wahnwitziger Storylines). Doch allem Anschein nach sind Kojimas Tage bei Konami gezählt.
Von heute auf morgen verstummte Kojimas Twitter-Account, Kojima Productions wurde aufgelöst und sein Name von sämtlichen kommenden Produktionen entfernt. Die kürzlich erfolgte offizielle Einstellung von „Silent Hills“ war der vorläufige Höhepunkt dieser scheinbar unaufhaltsamen Kojima-Konami-Abwärtsspirale. Alles – wirklich alles – deutet darauf hin, dass im Konami-Hauptsitz in Minato derzeit dicke Luft herrscht. Doch ein kleiner leiser für absurde Verschwörungstheorien verantwortlicher Lappen meines Hinterhirns flüstert mir unablässig ins Ohr, dass die Dinge vielleicht anders sind wie sie erscheinen und wir Zeugen des größten PR-Stunts werden, den Hideo Kojima jemals aus dem Hut gezaubert hat.
Ja … ich weiß … das ist sehr (sehr sehr sehr) unwahrscheinlich und wäre ein verdammt riskantes Manöver seitens Konami, aber trotzdem … wir reden hier immerhin von dem Mann, dessen abenteuerliche Aktionen und Ideen mittlerweile legendär sind.
DIE KUNST DER TÄUSCHUNG
Ein paar Beispiele: 2001 ist es Hideo Kojima erfolgreich gelungen die Identität der Hauptfigur von „Metal Gear Sold 2“ geheim zu halten. Presse und Spieler waren fest davon überzeugt, dass erneut Solid Snake die Hauptrolle spielen würde. Warum hätte man daran auch Zweifel haben sollen? Auf sämtlichen zuvor veröffentlichten Bildmaterial war die beliebte Reibeisenstimme zu sehen und auch in der im Vorfeld erschienene Demo schlich Snake auf stürmischer See kreuz und quer über ein Schiff. Das tat er auch im Spiel … und verabschiedete sich danach als spielbare Figur aus der Handlung. Den Rest des Spiels bestritt der Spieler dann mit Raiden, seines Zeichens jämmerliches Weichei und das exakte Gegenteil des Proto-Alphamännchens Snake. Heutzutage würde so etwas einen erstklassigen Shitstorm nach sich ziehen, doch damals wussten wir leider noch nicht, was ein Shitstorm ist. Es war ein großartiges Täuschungsmanöver, welches seinerzeit jedoch nur für gebremste Begeisterung sorgte.
Unvergessen auch die Ankündigung von „Metal Gear Solid 5 – The Phantom Pain“, bei welcher virtuos auf der Klaviatur des viralen Marketings gespielt wurde – von irreführenden Trailern über neu gegründete Scheinentwicklerfirmen bis hin zu kleinen versteckten Hinweisen. Und dann war da natürlich auch noch P.T., dessen Ankündigung auf der Sony-Pressekonferenz während der Gamescom 2014 zunächst relativ wenig Interesse weckte …
Ein anderes Beispiel, dieses Mal aus “Metal Gear Solid 3” (wenn auch weniger hinterlistiges Täuschungsmanöver, als viel mehr abstrus geniale Gameplaymechanik). In der “Metal Gear Solid”-Reihe gibt es einige bemerkenswerte Bosskämpfe, das Duell gegen den Scharfschützen-Methusalem “The End” dürfte jedoch eine der Spitzenpositionen einnehmen. Hatte man keine Lust auf das spannende Katz-und-Maus-Spiel gegen den zielsicheren Opa, konnte man das Spiel alternativ auch einfach abspeichern, ausschalten, eine ungefähr Woche warten und dann wieder starten. In der Zwischenzeit war “The End” an Altersschwäche verstorben und das Abenteuer konnte weiter gehen.
I WANT TO BELIEVE
Diese Beispiele zeigen vor allem eines: Kojima balanciert im Umgang mit Presse und Spielern oftmals auf einem schmalen Pfad zwischen Wahnsinn und Genie. Ein inszeniertes Drama so kurz vor der Veröffentlichung des voraussichtlichen letzten Teiles der “Metal Gear Solid”-Reihe ist demnach zwar enorm unwahrscheinlich, aber trotzdem nicht … naja … nein … es ist einfach nur enorm unwahrscheinlich. Keine Firma würde solch einen Imageschaden für ein wenig PR riskieren, nicht einmal um das geldscheißende Enfant Terrible des Unternehmens zufrieden zu stellen.
Es irritiert mich allerdings wie unelegant Konami diese ganze Situation handhabt. Kojima schweigt (oder muss möglicherweise schweigen). Konami entfernt Logos und Namensnennungen … schweigt davon abgesehen jedoch ebenfalls. Arbeitet Kojima überhaupt noch bei Konami? Die einen sagen „Ja“, die anderen sagen „Nein“. Lange gab es keinen Kommentar zur Zukunft von “Silent Hills”, bis Guillermo del Toro, der an der Entwicklung beteiligt war, im Rahmen des San Francisco International Film Festivals erzählt hat, dass dieses nicht mehr stattfinden würde. Dies bestreitet man wiederum zunächst halbherzig, um es dann doch zu bestätigen. Die ganze Welt wird Zeuge davon wie es in Japan kriselt und alle unmittelbar daran Beteiligten schweigen sich entweder stur aus oder drucksen herum. Es ist ein bisschen so als würde man einem Haufen beleidigter Teenager beim Streiten zu sehen. Vielleicht ist das aber auch einfach die japanische Mentalität. Viele verletzte Egos, niemand will sein Gesicht verlieren und plötzlich befindet man sich in der Situation, in der nur noch ein ehrenwerter Seppuku die Situation retten könnte. Man weiß ja selbst wie das ist.
Dennoch: Wenn im September dann endlich “Metal Gear Solid 5” heraus kommt und sich herausstellen sollte, dass alles tatsächlich nur eine groß angelegte und riskante PR-Aktion war, da die Handlung des Spiels in irgendeiner Art und Weise die Geschehnisse der letzten Wochen widerspiegelt und auf diese Weise alles innerhalb eines größenwahnsinnigen Masterplans mit einem Mal Sinn ergibt … nur für diesen Fall: Ich hab’s doch von Anfang an gesagt!