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World Building: Die Open-World-Spiele von Rockstar Games

Hört man als Computerspieler den Namen „Rockstar Games“, denkt man unvermeidbar an „Grand Theft Auto“ … ein Titel, den man selbst als Nicht-Spieler eventuell schon einmal gehört hat. „Grand Theft Auto“ … diese böse Gangstersimulation, in der man Omas verprügeln und Nutten prellen kann (oder umgekehrt). Aber lässt sich die Faszination dieser Spiele wirklich nur damit erklären, dass man die Freiheit hat böse, verbotene Dinge zu tun? Oder ist es vielleicht nicht ganz so einfach? Und wenn es tatsächlich nur die Faszination des Bösen wäre … warum war das ähnlich gelagerte Westernspiel „Red Dead Redemption“ ebenfalls ein immenser Erfolg, obwohl das Spiel als Outlaw dort nicht im geringsten gefördert oder sogar ermutigt wird?

ROCKSTAR GAMES?

Rockstar Games ist ein Spieleentwickler und -publisher, welcher im Jahr 1998 von den Briten Sam Houser, Dan Houser, Terry Donovan, Jamie King und Gary Foreman als Tochtergesellschaft von Take-Two Interactive in New York gegründet wurde. Rockstar Games selbst setzt sich aus mehreren Entwickerstudios zusammen, welche im Lauf der Jahre von Take-Two aufgekauft und unter dem Namen Rockstar Games vereint wurden. Zu diesen Studios gehört unter anderem der in Edinburgh ansässige Entwickler DMA Design (mittlerweile: Rockstar North), welcher für die Lemmings-Spiele bekannt ist und die Marke Grand Theft Auto erfunden hat, und die Angel Studios (mittlerweile: Rockstar San Diego), welche für die „Red Dead“-Serie und die „Midtown Madness“-Spiele verantwortlich sind. Das New Yorker Rockstar-Hauptquartier entwickelt jedoch keine Spiele.

DIE GTA – REIHE

Grand Theft Auto
Entwickler: DMA Design
Publisher: BMI Interactive
Plattformen: PC, Playstation, Gameboy Color

Das erste „Grand Theft Auto“-Spiel (kurz: GTA) erschien 1997. Auch wenn man bereits einige der noch heute vorhandenen Grundelemente im Spiel vorfand, unterschied es sich doch in großen Teilen von den aktuellen Teilen der Serie. Der größte Unterschied ist rein optischer Natur, da das Spiel aus einer Top-Down-Perspektive gespielt wird. Es gab jedoch auch inhaltlich gewaltige Unterschiede. Von einer nennenswerten Story war beispielsweise weit und breit noch nichts zu erahnen. Man spielte den namenlosen Fahrer einer nicht näher genannten Verbrecherorganisation und bekam per Telefon eine lose Folge von Aufträgen. Für deren Erfüllung (und für andere Aktivitäten – wie zum Beispiel das Überfahren unbeteiligter Passanten) bekam man Punkte. Hatte man genug Punkte angesammelt, ging es weiter in eine neue Stadt. Speichern durfte man nur beim Wechsel in die nächste Stadt.

Diese Städte wiederum waren – zumindest rein namentlich – bereits die gleichen, durch die heute noch GTA-Spieler kurven: Liberty City, Vice City und San Andreas. Ebenfalls bis heute unverändert: die prinzipiell uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb der Städte, der polizeiliche Fahndungslevel und die stetige Versuchung Unfug zu treiben.

Grand Theft Auto 2
Entwickler: DMA Design
Publisher: Rockstar Games
Plattformen: PC, Playstation, Dreamcast, Gameboy Color

Zwei Jahre später, 1999, erschien GTA 2 und veränderte am Grundkonzept des ersten Teiles nicht viel. Die Perspektive blieb gleich, die Grafik war etwas schicker und etwas schärfer. Eine klar umrissene Story gab es immer noch nicht, weiterhin ging es darum Punkte zu sammeln und von Stadt zu Stadt zu ziehen. Dafür gab es nun Tag- und Nachtwechsel und die heutzutage nicht wegzudenkenden Radiosender feierten ihr Debüt. Eine Neuerung, die es allerdings nicht in die aktuellen Spiele geschafft hat, war ein relativ diffizilles Fraktionensystem.

Es dauerte noch einmal zwei Jahre bis zum Erscheinen von GTA III, welches als Prototyp aller modernen GTA-Spiele und vielleicht sogar Begründer eines eigenen kleinen Genres gelten darf. Offene Spielewelten waren zwar nichts Neues (in Rollenspielen gab es diese bereits seit Jahrzehnten), aber solch ein in sich stimmiger und lebendiger Tummelplatz war vollkommen neu.

GTA III war der erste Teil der Reihe, der in 3D präsentiert wurde. Schauplatz des Spiels war Liberty City, das GTA-Äquivalent zu New York. Unser Held war weiterhin namenlos und stumm (auch wenn man in GTA: San Andreas schließlich erfahren hat, dass er Claude heißt), durchlebte jedoch zum ersten Mal eine richtige Geschichte:

Die Freundin des Helden, Catalina, haut nach einem Banküberfall mit dem Geld ab, während dieser von der Polizei geschnappt wird. Nachdem Claude aus dem Gefägnis entkommen kann, will er sich an ihr rächen. Catalina ist mittlerweile allerdings ein hohes Tier in Liberty Citys Unterwelt. Selbstverständlich hat Claude nur eine Möglichkeit an sie heranzukommen: verschiedene Aufträge für verschiedene Verbrecherkartelle erledigen. Das war keine sonderlich originelle Geschichte, aber: es war eine Geschichte.

Grand Theft Auto III
Entwickler: Rockstar North
Publisher: Rockstar Games
Plattformen: Playstation 2, Xbox, PC, Mac, Android, iOs

GTA III etablierte die Grundstimmung der folgenden Spiele. Bereits die ersten beiden Teile waren mit einem recht makaberen Humor gesegnet. Doch dieses Spiel war erstmals mit popkulturellen Zitaten und Anspielungen vollgepackt. DIese waren zum einen in die Geschichte, die stellenweise unter anderem an „Der Pate“ erinnerte, eingearbeitet, zum anderen überall in der Welt verteilt. Seien es die Radiosender mit ihren zahlreichen, teilweise brüllend komischen, Radiosendungen oder viele in der Landschaft versteckte Elemente.

An sich hatte man bei GTA III die vollkommene Freiheit zu tun und lassen, was man möchte. Wollte man der Story folgen, konnte man dies tun. Wenn dem nicht so war, konnte man sich allerdings auch mit zahlreichen Nebenbeschäftigungen – wie zum Beispiel ein wenig Taschengeld als Taxifahrer zu verdienen – die Zeit vertreiben. Im Detail war dies allerdings nur eine vorgegaukelte Freiheit. Die Programmierer haben einen zwar stets an der langen Leine gelassen … die Leine war jedoch immer noch vorhanden. So kann man nicht von Anfang an die komplette Stadt befahren, man kann auch nicht die Aufträge in vollkommen beliebiger Reihenfolge erledigen. Das hat sich bis zum heutigen Tag nicht geändert.

GTA – Vice City
Entwickler: Rockstar North
Publisher: Rockstar Games
Plattformen: Playstation2, XBox, PC, Mac
GTA – San Andreas
Entwickler: Rockstar North
Publisher: Rockstar Games
Plattformen: Playstation 2, Xbox, PC, Mac, Android, iOs

GTA III bekam noch zwei „Add Ons“: „GTA: Vice City“ (2002) und „GTA: San Andreas“ (2004). Da diese jedoch umfangreicher (und besser) wie das „Hauptspiel“ waren, selbstständig liefen und jeweils neue Städte und Figuren beinhalteten, muss man diese eher als eigenständige Spiele bezeichnen. Der offiziell vierte Teil erschien allerdings erst 2008.

„GTA: Vice City“ spielte in den 80er-Jahren in der GTA-Variante von Miami und erzählte die Geschichte des Gangsters Tommy Vercetti und dessen Aufstieg in der Unterwelt. Die Handlung war deutlich von dem Film „Scarface“ mit Al Pacino inspiriert. Das Spiel bot abwechslungsreichere Missionen, mehr Nebenbeschäftigungen, neue Fahrzeugtypen und prominente Synchronsprecher (beispielsweise den aus Filmen wie „Goodfellas“ bekannten Schauspieler Ray Liotta als Tommy Vercetti).

„GTA: San Andreas“ war der absurd umfangreiche Abschluss der „GTA 3“-Trilogie. Nicht nur eine Stadt wurde simuliert, ein ganzer Staat konnte bereist werden. Unzählige Missionen und Geheimnisse warteten darauf in einem riesigen Gebiet vom Spieler entdeckt zu werden. Mit CJ gab es zum ersten Mal eine schwarze Haupfigur, die Handlung orientierte sich an der Story des Films „Boyz n the Hood“ und spielte vor der Kulisse der LA Riots in den 90ern.

Angereichert war das ganze durch sanfte Rollenspielelemente (ißt man viel wird man beispielsweise dick, trainiert man viel, wird man stärker) und zahllose wahrhaft illustre Figuren (seit Teil 3 eine der Stärken der GTA-Reihe). Noch nie war die Möglichkeit sich abseits der eigentlichen Storymissionen zu beschäftigen stärker ausgeprägt. Die GTA-Serie hatte einen vorläufigen Höhepunkt erreicht und es sollten nun 4 Jahre vergehen bis GTA 4 erschien. Und mit diesem änderte sich so manches.

GRAND THEFT AUTO IV

Grand Theft Auto IV
Entwickler: Rockstar North
Publisher: Rockstar Games
Plattformen: Xbox 360, Playstation 3, PC

„Grand Theft Auto IV“ ist unter den Fans der Reihe nicht unumstritten. Waren die bisherigen GTA-Spiele in ihrer Stimmung eher comichaft albern und übertrieben und luden dazu ein Chaos zu stiften, begegnete dem Spieler nun ein deutlich düsteres, zynischeres, realistischeres und melancholischeres Setting. Könnte man die „GTA III“-Trilogie als Parodie popkultureller Phänomene bezeichnen, haben wir es nun mit einer Satire auf den amerikanischen Traum zu tun. Das gefällt nicht jedem.

Mit dieser inhaltliche Neuausrichtung gingen auch einige Gameplayänderungen einher. Die Nebenbeschäftigungen wurden stark reduziert und beschränken sich nun auf Dinge wie Bowling, Dart spielen und Stripclubbesuche … Dinge, die man mit seinem NPC-Freunden und -Liebschaften unternehmen kann. Das Problem daran: man ist beinahe schon gezwungen diese in schöner Regelmäßigkeit zu erledigen, da man im Ansehen seiner NPC-Bekannten sinkt, wenn man nicht gelegentlich etwas mit ihnen unternimmt. Und es ist wie im echte Leben: wenn man seine Freunde vernachlässigt, kommen sie nicht länger auf Abruf mit ihrem Kofferraum voll günstiger Waffen vorbei.

Auch der Umfang wurde stark beschnitten. Hatte man ihm Vorgänger noch einen ganzen Staat, ist es nun wieder nur eine einzige Stadt: das aus GTA III bekannte, optisch generalüberholte Liberty City.

Dies klingt nun wahrscheinlich alles nicht wirklich toll. Und trotzdem behaupte ich: „Grand Theft Auto IV“ ist das bisher beste GTA. Die Vorgänger mögen eventuell unterhaltsamer und abwechslungsreicher sein, aber noch kein GTA zuvor hat mich emotional so gepackt wie dieses. Zum ersten Mal ist mir die Hauptfigur, Nico Bellic, nicht egal. Nico ist nicht nur mein Avatar in Liberty City … nein … er ist ein Charakter, der mir am Herzen liegt.

Die Story selbst ist nicht originell: Nico Bellic, ein Immigrant aus einem nicht näher benannten osteuropäischen Land, kommt nach Liberty City, um ein neues Leben zu beginnen und mit seinem alten endgültig abzuschließen. Dies hofft er dadurch zu erreichen, dass er sich an dem einen Mann rächt, der im Krieg seine Einheit verraten hat und für den Tod all seiner Freunde verantwortlich ist. Dieser Mann soll sich in Liberty City verstecken.

Sein Cousin Roman lebt bereits seit mehreren Jahren in Liberty City und verspricht Nico dort Reichtum, schnelle Autos und schöne Frauen: der amerikanische Traum. Doch die Wahrheit sieht anders aus: Roman ist nicht reich … er ist Besitzer eines kleinen Taxiunternehmens mit immensen Spielschulden. Er hat zwar eine Freundin, aber nicht an jeder Hand fünf Frauen und sein Auto ist auch wahrhaft keine Luxuskarosse. Beim ersten Treffen mit Nico ist er sturzbetrunken und es nicht vollkommen auszuschließen, dass das daran liegt, dass er sich den Mut antrinken musste, seinem Cousin die Wahrheit zu offenbaren.

Die bisherigen GTA-Helden waren allesamt keine Strahlemänner und das ist auch Nico nicht. Aber wo Claude, Tommy Vercetti und CJ keine Probleme damit haben, kriminell zu sein, möchte das Nico eigentlich nicht. Er ist ein Killer, aber er hat ein gutes Herz. Und wenn sein Cousin oder andere Menschen, die er mag, in der Klemme stecken, hilft er ihnen und gerät so an die falschen Leute, denen es ganz gelegen kommt, dass Nico in seinem Leben nichts anderes gelernt hat wie zu töten. Sind die bisherigen GTA-Protagonisten die kriminelle Karriereleiter immer weiter nach oben geklettert, bleibt Nico bis zum Ende ein kleiner Fisch, der von anderen ausgenutzt wird. Er tut böse Dinge, aber er tut diese nicht gerne. Ich mag Nico mit seiner melancholischen Art, auch wenn man stets merkt, dass in seinem Inneren auch ein gefährliches Monster lauert. Aber ich wünsche Nico, dass er dieses Monster besiegt und  eine Chance hat, diesem Leben zu entkommen und ein besserer Mensch zu werden.

Als Nico schließlich nach vielen Irrungen und Wirrungen den Verräter am Flughafen auf dem Silbertablett präsentiert bekommt, gewährt einem das Spiel die seltene Gelegenheit eine Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung, ob dieser Leben darf oder ob er für seinen Verrat büßen muss. Und nachdem ich das ganze Spiel über auf diesen Moment hingearbeitet habe, zögerte ich plötzlich. Das war nicht das erwartete Finale dieser Schnitzeljagd. Vor mir stand ein hilfloser, gefesselter Mann. Ein Drogenwrack, das vom Leben nicht sonderlich gut behandelt worden war. Und auch wenn Nicos Zorn weiterhin berechtigt blieb … ich wollte nicht, dass Nico ein Mensch ist,  der der Rache wegen einen hilflosen Menschen erschiesst.

Ich liess den Verräter leben und fuhr wieder davon.

Diese Szene ist noch nicht das Finale von GTA 4 und ohne zu viel verraten zu wollen … ein wirkliches Happy End gibt es für Nico Bellic nicht. Zurück bleibt nur eine gewisse Melancholie …

Das kannte ich so von Grand Theft Auto nicht. Sowas hatte ich bis dato bei fast noch keinem Videospiel erlebt. Ich war beeindruckt.

Aber es ist nicht nur die Story und der Protagonist, die Grand Theft Auto 4 auszeichnen … es ist auch der Schauplatz. Das neue Liberty City ist neben Nico der zweite Hauptdarsteller. Noch nie zuvor hatte man so sehr das Gefühl sich durch eine lebendige, atmende Stadt zu bewegen. Dies sorgte bei mir für vollkommen neue Verhaltensweisen.

In den vorherigen GTA-Spielen bereitete es mir stets eine diebische Freude mit einem gestohlenen Fahrzeug durch die Menschenmenge zu preschen, den Raketenwerfe auszupacken und solange Chaos zu stiften bis mir die Armee auf den Fersen war. Als ich in GTA 4 das erste Mal jemanden überfahren habe, dachte ich nur: „Autsch … das sah jetzt schmerzhaft aus.“ Es wirkte unangenehm realistisch. Ich fühlte mich nicht unterhalten … ich fühlte mich schuldig. Schuld daran war die neuentwickelte Euphoria-Animationsengine, die eine erschreckend realisische Physikdarstellung ermöglicht. Die Folge: statt die Hölle auf den Straßen Liberty Citys zu entfesseln, bemühte ich mich keine Unbeteiligten zu verletzen.

Auch abseits der technischen Fortschritte hatte man stets den Eindruck, dass Liberty City realistischer ist wie andere Spielstädte. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen reagiert die Umwelt auf mein Verhalten. Zücke ich eine Pistole laufen die meisten Fußgänger panisch schreiend weg. Etwas mutigere Passanten gehen vielleicht zum Angriff über und versuchen mich zur Strecke zu bringen.

Zum anderen hat man aber auch das seltsame Gefühl, dass Liberty City weiter existiert, wenn man gar nicht im Spiel ist. Dies wird durch eine ungeheure Liebe zum Detail erreicht. Bleibt man an einer Straßenecke stehen und lauscht ein wenig den vorbeigehenden Menschen, kann man Zeuge vieler kleine Geschichten werden. Hat man mal die Schnauze voll vom Ganovenleben und beschließt einen Nachmittag vor dem Fernseher zu verbringen, hat man die Auswahl an mannigfaltigen höchst unterhaltsamen Sendungen. Gleichzeitig kommt man in das zweifelhafte Vergnügen der Metaerfahrung vor dem Fernseher zu sitzen und ein Spiel zu spielen, in dem man vor dem Fernseher sitzt und eine Sendung anschaut.

Möchte man nicht nur in seinem virtuellen Zimmer herumlungern, kann man sich natürlich auch in die virtuelle Stadt begeben und eine der zahlreichen Stand-Up-Comedy-Auftritte besuchen. Oder ins Internet Cafe gehen und durch’s GTA-Internet surfen, um Mails von Nicos Mutter zu lesen und Spam zu löschen. Und last but not least … selbstverständlich feiern auch die Radiosender ein Comeback. Inhaltlich werden in den diversen TV- und Radioshows auch schonmal Themen wie die Terrorparanoia der Amerikaner satirisch überspitzt behandelt.

In der Folge erschienen noch zwei Downloadcontents, „The Lost and the Damned“ und „Ballad of Gay Tony“, die die Geschichten zweier Figuren erzählen, deren Weg Nico in GTA 4 kreuzt. Die beiden Episoden (vor allem „Ballad of Gay Tony“) bereichern das Spiel um neue Gameplayelemente, die wieder ein wenig mehr an die alten Spiele erinnern. Die Klasse und emotionale Tiefe des Hauptspiels erreichen die beiden Erweiterungen allerdings leider nicht.

GTA 5 wurde mittlerweile angekündigt und offenbar spielt es erneut in San Andreas. Ob allerdings der ganze Staat oder nur einer der Städte dargestellt wird, ist noch nicht bekannt. Auch über die Hauptfigur und die Story weiß man bisher nur wenig, jedoch scheint man weiterhin den eher seriösen Ansatz eines GTA 4 zu verfolgen. Ähnliches gilt für das 2010 erschienene „Red Dead Redemption“.

RED DEAD REDEMPTION

Red Dead Redemption
Entwickler: Rockstar San Diego
Publisher: Rockstar Games
Plattformen: Playstation 3, Xbox360

„Red Dead Redemption“ ist der Nachfolger des 2004 erschienen „Red Dead Revolver“. Außer dem Titel und dem Wild-West-Setting haben die beiden Spiele allerdings nicht viel gemeinsam. War „Red Dead Revolver“ ein relativ lineares Actionspiel, erinnert „Red Dead Redemption“ bei weitem mehr an die GTA-Spiele: eine offene Spelewelt mit verschiedenen Auftraggebern und Nebenbeschäftigungen.

Die Spielewelt in „Red Dead Redemption“ ist ein Best of der Westernklischees. Es gibt kleine Westernstädte, eine verlassene Goldgräberstadt, Mexiko mitsamt Bürgerkrieg, Prärie, eine größere Stadt, in der bereits die Auswirkungen der näherrückenden Zivilisation spürbar sind und ein Waldgebiet, welches Erinnerungen an „Leichen pflastern seinen Weg“ weckt.

Da es im Westen nicht nur Menschen und Pferde gab, bevölkern auch zahlreiche Tiere die Spielewelt. Hasen hoppeln durch Gebüsch, Wölfe jagen im Rudel ein Reh, Pferde grasen friedlich vor einer Schlucht. Ein Blick über die Landschaft während die Sonne in der Ferne untergeht und die Atmosphäre wird so dicht, dass man sie beinahe in Scheiben schneiden kann.

Die Hauptfigur des Spiels ist John Marston, ein ehemaliger Outlaw, der seinen Lebensabend jedoch in Frieden als Farmer, Ehemann und Vater verbringen möchte. Doch seine Vergangenheit holt ihn ein als die Regierung seine Frau und seinen Sohn entführt und von Marston verlangt seine ehemaligen Gangmitglieder zu töten, wenn er seine Familie wieder sehen möchte.

Marstons Motivation ist klar und nachvollziehbar. Er hegt keinen persönlichen Groll gegen seine ehemaligen Freunde, doch die Sicherheit seiner Familie geht ihm über alles. Marston war vielleicht mal ein schlechter Mensch, doch diese Zeiten sind vorbei. Es tut einem beinahe leid, dass er nun wieder gezwungen ist zu töten.

Um so absurder ist es da, dass das Spiel einem die Möglichkeit gibt, John Marston auch als schlechten Menschen zu spielen. Es ist vollkommen widersprüchlich angesichts der Handlung und verschafft einem nur Nachteile, aber … man kann es machen. Hier wird einem aber auch bewußt wie sehr einem das Spiel vollkommene Freiheit nur vorgaukelt. In den älteren GTA-Spielen, in denen die Stories und Hauptfiguren noch nicht ganz so lebensnah gezeichnet waren, ergab sich keine Dissonanz zur Handlung, wenn man einen Amoklauf gestartet hat. „Red Dead Redemption“ und GTA 4 mit ihren sehr klar ausgearbeiteten Hauptfiguren, „bestrafen“ eine solche Spielweise jedoch mit dem Gefühl der Unstimmigkeit.

Die Elemente, die bereits die Spielewelt von Grand Theft Auto 4 so lebendig haben wirken lassen, wurden hier noch einmal verfeinert. Rockstar San Diego gelingt es sogar einige großartige Magic Moments zu erschaffen.  Manche entstehen eher zufällig, wenn man beispielsweise zum ersten Mal nachts während eines Gewitters durch die Steppe reitet. Andere sind geplant und hinterlassen einen immensen emotionalen Eindruck.

Nach knapp 20 Stunden Spiezeit gelingt es Marston den ehemaligen Anführer der Gang (und Marstons alten Mentor) Dutch zu stellen. Dutch weiß, dass er keine Chance mehr hat. Er weiß auch, dass er ein Relikt einer vergangenen Zeit ist und Leute wie er und Marston keinen Platz mehr in der modernen Welt haben, die den Westen langsam aber sicher verdrängt. Bevor Marston ihn erschiessen kann, stürzt er sich selbst in den Tod. Marston hat Dutch zwar nicht getötet, sein Auftrag ist jedoch erfüllt. Er kann wieder zu seiner Familie zurückkehren. Auf dem Weg zu Marstons Farm spielt Rockstar nun den Song „Compass“ ein. Ich mag mich wiederholen, aber atmosphärisch ist diese Stelle unfassbar dicht. Ein simpler Ritt wird zu einem Erlebnis, dass man – so absurd es klingen mag – so schnell nicht vergisst.

Das Spiel endet nicht an dieser Stelle. Man hat seine Familie wieder gewonnen und nach all den Abenteuern, die man überstanden hat, lebt man nun das Leben eines einfachen Farmers. Man verscheucht Krähen, treibt Rinder zusammen, geht mit seinem Sohn jagen. Dies mag zunächst banal klingen, aber es sind genau diese letzten Spielstunden, die das tatsächliche Ende dann zu so einem in seiner Konsequenz intensiven Erlebnis machen. Die im Spiel stetig wiederkehrende Themen – der Tod des alten Westens, das Eingreifen der Regierung – finden hier ihre endgültige Auflösung.

FAZIT

Und damit möchte ich zum Ende kommen. Auch wenn die alten GTA-Spiele mehr Schwachsinn zugelassen haben und etwas mehr Abwechslung boten: die Brillianz die Rockstar in GTA 4 und „Red Dead Redemption“ durch das Zusammenspiel der fantastischen Charaktere, der überwältigenden und lebendigen Spielewelt und der Stories erreicht, ist beispielslos und ein Lehrstück des emotionalen Erzählens in Videospielen.

2 Kommentare

  • DMJ

    Ich muss gestehen, die immer wieder erwähnte Tiefe und Tragik hat mich bislang zögern lassen, GTA IV zu spielen. Ich mag Tiefgang durchaus, aber ich weiß nicht, ob mir diese schick-schräge Franchise der richtige Ort dafür scheint, oder ob ich da nicht lieber kriminellen Spaß habe.

    Ach ja: Und ich muss natürlich meiner heiligen Pflicht nachkommen und betonen, dass zu den Sprechern von „Vice City“ auch die wunderbolle Fairuza Balk gehört, was meine Kaufentscheidung durchaus beeinflusst hat.

    • Andreas

      GTA IV hat in der Hinsicht auf jeden Fall deutlich mit der Serie gebrochen. Man kann auch nicht behaupten, dass das zwingend überwiegend gut angekommen ist, aber naja … es war das erste GTA, das ich komplett durchgespielt habe … und das obwohl ich alle von Teil 1 an gespielt und gemocht habe.

      GTA V kehrt dafür ja wieder ein wenig zu alten Tugenden zurück. Es hat zwar mehr Tiefe und Tragik wie GTAs der GTA III-Ära, dem schrägen Wahnsinn wurde allerdings wieder deutlich mehr Platz eingeräumt.

      …und das mit Frau Balk war mir vollkommen unbekannt 😀

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